07.06.2024
Zweite Verhandlungsrunde in Frankfurt zeigt, wie weit die Positionen auseinander liegen
In der ersten Verhandlungsrunde am 6. Juni hatte ver.di die Forderungen zur Tarifrunde 2024 eingebracht und ausführlich begründet. Die Arbeitgeber hatten diese damals entgegengenommen und für die zweite Verhandlungsrunde ein Angebot angekündigt. Entsprechend hoch waren die Erwartungen bei der ver.di-Verhandlungskommission.
Die Arbeitgeber begannen die zweite Verhandlungsrunde nicht wie erwartet mit einem Angebot, sondern mit umfangreichen Erklärungen zu den von ver.di eingebrachten Begründungen für die Forderungen. Darin erklärten sie, in überraschender Schärfe, ihre Sicht auf die gesamtwirtschaftliche Situation und auf wirtschaftliche Situation der STRABAG PFS und die der Beschäftigten. Ihr Fazit: ver.di muss die Entgeltforderung reduzieren!
In einer Betrachtung der jeweiligen Entgeltsteigerungen seit 2008 sei festzustellen, dass die Entgeltentwicklung der Beschäftigten in der STRABAG PFS seit dem Kauf der Firma durch den STRABAG Konzern durchgängig oberhalb der Inflationsrate gelegen hätte. Auch wenn in den Jahren 2022 und 2023 ein Delta vorhanden wäre, schlussfolgerten die Arbeitgeber, dass insgesamt betrachtet kein Kaufkraftverlust für die Beschäftigten vorhanden sei. Mit Blick auf die vergangenen Tarifergebnisse, insbesondere die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000€ seien die Inflationswirkungen in 2022 und 2023 für die Beschäftigten weit überkompensiert worden.
Daneben sei mit Blick auf das gesamte Konditionenwerk der STRABAG PFS herauszustellen, dass daraus ohnehin ein Wettbewerbsnachteil für die STRABAG PFS vorhanden sei (z.B. durch die 38 Stunden-Woche). In der Branche seien z.B. 40 Stunden je Woche üblich. Dies in Verbindung mit Arbeitszeitkonten, Vertrauensarbeitszeit oder die vorhandenen „Home-Office-Regelung“ bieten den Mitarbeiter:innen der PFS moderne und attraktive Arbeitsplätze.
Individuelle Entgelteffekte, die Beschäftigten, z.B. durch die Wanderung in den Entgeltstufen (Stufe 1-3 je EGr) erzielen, müssten bei einer Diskussion über Reallohnentwicklungen mitbetrachtet werden. Den von ver.di formulierten Nachholbedarf für die Beschäftigten der STRABAG PFS sei insoweit nicht vorhanden. Dagegen erklärten die Arbeitgeber, dass sie stattdessen „sogar eher“ die Notwendigkeit für eine „Abschmelzung“ des heutigen Entgeltniveaus sähen.
Die Erfüllung der ver.di-Forderung würde dazu führen, dass die STRABAG PFS so gut wie keine Ergebnisrendite mehr erzielen könne. Die STRABAG RPS sei damit „platt“.
In Summe seien die Arbeitgeber „erschüttert“ über die ver.di Forderung. Sie sei „Gier auf Basis falscher Fakten“ und in den Augen der Arbeitgeber „maßlos“ und „für alle zurückzuweisen“.
Die ver.di Verhandlungskommission zeigte sich überrascht und irritiert über die von den Arbeitgebern vorgetragene Schärfe ihrer Sichtweisen zumal die Arbeitgeberseite in der ersten Verhandlungsrunde wesentliche Elemente zu den Einschätzungen der wirtschaftlichen Situation seitens ver.di grundsätzlich teilte. Folgerichtig wies ver.di-Verhandlungsführer Pascal Röckert die Begriffe „Gier“ und „maßlos“, als auch die von den Arbeitgebern formulierten „Abschmelzungen“ der Tarifbedingungen entschieden zurück. Der bereits in der ersten Verhandlungsrunde umfangreich begründete Nachholbedarf sei nicht weg zu diskutieren. Dieser war auch in der von den Arbeitgebern eingebrachten Unterlage zur tabellenwirksamen Tarifentwicklung deutlich erkennbar.
Nach teils kontroverser Diskussion der unterschiedlichen Sichtweisen, brachte die Arbeitgeberseite gegen Ende der zweiten Verhandlungsrunde ein Angebot in die Verhandlungen ein:
Die ver.di-Verhandlungskommission wies das Angebot nach interner Beratung als unzureichend zurück.
Mit einer Laufzeit von 36 Monaten und drei Erhöhungsschritten um jeweils 2 % ab 01.01.2025, bleibt dies weit hinter den Forderungen der ver.di Mitglieder zurück. Auch wenn es zu begrüßen ist, dass das arbeitgeberseitige Angebot die Forderung für die Auszubildenden und Dual Studierenden aufgegriffen hat ist, liegt auch hier eine deutlich zu lange Laufzeit vor.
Das Angebot wird dem Nachholbedarf der Beschäftigten nicht gerecht. Es sieht zwar einen Ausgleich der geschätzten Inflationssteigerungen der kommenden Jahre vor, nicht aber den Ausgleich bereits entstandener Reallohnverluste oder gar Reallohnsteigerungen. Die von den Arbeitgebern angebotene erste tabellenwirksame Erhöhung ist mit dem 01.01.2025 zudem deutlich zu spät. Auf den von ver.di geforderten Mindestbetrag geht das Angebot gar nicht ein. Ebenso hält das Angebot einem Vergleich mit Tarifabschlüssen in der Branche nicht stand.
In Summe bewertete die ver.di Verhandlungskommission das Angebot der Arbeitgeber als unzureichend und viel zu weit von den ver.di-Forderungen entfernt.
Aus Sicht der ver.di Verhandlungskommission wurde in der zweiten Verhandlungsrunde eine große Differenz zwischen Forderungen und den Arbeitgeber Sichtweisen deutlich. Es ist derzeit nicht erkennbar, ob und in welcher Form die Verhandlungen zu einer Einigung geführt werden können.
Für die Tarifrunde 2024 hatten sich ver.di und die Arbeitgeberseite auf insgesamt drei Verhandlungsrunden verständigt. Die nächste und vorerst letzte Verhandlungsrunde findet am 15. Juli statt.
Die Arbeitgeber sind gefordert, diese Verhandlungsrunde zu nutzen und das Angebot in allen Belangen deutlich nachzubessern.
Verhandlungen werden nicht allein am Verhandlungstisch entschieden. Zur Durchsetzung der Forderungen braucht es die aktive Unterstützung durch die Beschäftigten.
Ver.di führt am kommenden Mittwoch eine weitere aktive (virtuelle) Mittagspause durch und lädt alle Beschäftigten der STRABAG PFS und STRABAG RPS dazu ein.
Die Details werden in einer gesonderten Information veröffentlicht.
Darin möchten wir uns mit euch zu diesem Angebot austauschen und euch Näheres aus den Verhandlungen und unserer Einschätzung berichten.
07.06.2024
05.06.2024