Große Erwartungen waren an den lang erwarteten Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Bundesbesoldung und -versorgung (Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz - BBVAngG) geknüpft. Doch diese wurden herb enttäuscht. Die geplanten Maßnahmen sind in der Gesamtschau ungenügend, intransparent, und stellen die Besoldungsstruktur insgesamt in Frage. Sie sind teilweise sogar verfassungsrechtlich zweifelhaft, stellt ver.di ernüchternd fest.
Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs sind Regelungen, die die Besoldung und Versorgung für Bundesbeamtinnen und -beamte amtsangemessen und damit verfassungskonform ausgestalten sollen. Das Bundesfassungungsgericht, höchstes deutsches Gericht, hat 2015 und 2020 Grundsatzentscheidungen zu Inhalt, Struktur und zur Mindesthöhe der Beamt*innen-Alimentation getroffen. Es hat die Gesetzgeber der Länder und den Bund zu einer Überarbeitung ihrer Besoldungsstrukturen verpflichtet.
Das wenig Positive ist schnell genannt, beispielsweise die Anhebung der Eingangsämter im einfachen und mittleren Dienst und der Erhalt des Familienzuschlags nach Stufe 1 für Verheiratete, Lebenspartner*innen, Verwitwete und Alleinerziehende.
Die Kritik am Gesetzentwurf ist nicht neu. ver.di und DGB haben bereits in einer gemeinsamen Stellungnahme ihren Widerstand und ihre Kritik gegen die unsoziale Form der alimentativen Ergänzungszuschläge (AEZ) mit bestimmten Abschmelzbeträgen geäußert. Ebenso zum geänderten Modell einer „Bedarfsgemeinschaft“ als Rechengrundlage für eine amtsangemessene Besoldung statt wie bisher die „Alleinverdienerfamilie“, ein echter Paradigmenwechsel, den ver.di und DGB nachdrücklich ablehnen. Die Bürokratie in der Umsetzung wird mehr statt weniger. Absehbar ist auch, so ver.di und DGB, dass die vorgesehenen, isolierten Eingriffe in die Besoldungsstruktur, neue Ungerechtigkeiten schaffen und erneut Verfassungsklagen nach sich ziehen werden.
Im Beteiligungsgespräch nach Paragraf 118 Bundesbeamtengesetz am 11. Oktober `24, hat ver.di gemeinsam mit dem DGB ihre Ablehnungs- und Kritikpunkte sowie ihre Bewertungen und Forderungen zum Gesetzentwurf beim Bundesministerium des Innern und für Heim (BMI) erneut eingebracht. ver.di und DGB fordern eine echte Besoldungsreform, die die Grundgehälter innerhalb der Besoldungstabelle insgesamt anhebt, mit Blick auf die gestiegenen Arbeits- und Leistungsanforderungen im Öffentlichen Dienst.
Einen wohnortabhängigen, alimentativen Ergänzungszuschlag (AEZ) sollen nur Beamt*innen mit Kindern erhalten. Das reicht aber nicht, denn wohnortabhängige Kosten betreffen alle Beamt*innen. Vor allem junge Menschen in den ersten Berufsjahren, meist noch unverheiratet, kinderlos und naturgemäß meist mit geringerem Einkommen, gehen leer aus.
ver.di fordert eine entsprechende Überarbeitung, d. h. der AEZ muss Allen zugutekommen, unabhängig vom familiären Status.
Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass der AEZ mit steigender Besoldungsgruppe unter Berücksichtigung des Besoldungsgefüges abgeschmolzen wird.
ver.di fordert auch hier dringend eine Überarbeitung, denn es kann nicht sein, dass die einerseits gewährten alimentativen Ergänzungszuschläge gleichzeitig wieder abgeschmolzen, und dabei sogar vielfach nahezu völlig aufgehoben werden.
ver.di fordert zudem eine Härtefallregelung, denn in hochpreisigen Wohngebieten kann im Einzelfall die Besoldung trotz zusätzlichem AEZ und Familienzuschlag nicht verfassungskonform sein.
Der Gesetzentwurf beinhaltet einen folgenschweren Paradigmenwechsel, dass nämlich statt des Alleinverdieners künftig das Familieneinkommen als Bezugsgröße zur Berechnung des Abstandes zwischen Besoldung und Grundsicherung dient. Die Beamtenfamilie als Bedarfsgemeinschaft wie beim Bürgergeld.
Bei der Ermittlung der notwendigen jährlichen Nettomindestbesoldung einer Familie mit zwei Kindern soll künftig ein fiktives Partnereinkommen in Höhe von monatlich 538 Euro netto zu der vom Dienstherrn gewährten Besoldung hinzugerechnet werden. Der Gesetzgeber meint, dass sich dadurch der Abstand der Besoldung zur Grundsicherung vergrößern und damit der verfassungsrechtlich gebotene Mindestabstand der Besoldung zur Grundsicherung von 15 % wahren lässt.
Wohlgemerkt, es wird ein Partner*inneneinkommen angerechnet, unabhängig davon, ob tatsächlich ein zweites Einkommen vorhanden ist. Dieses Vorhaben findet sich statt in einem Paragrafen gut versteckt im Rechenweg im Begründungsteil. Und das, ungeachtet der Realität, dass eine verlässliche Kinderbetreuung trotz Rechtsanspruch längst nicht gegeben ist, um eine Erwerbstätigkeit beider Elternteile problemlos zu ermöglichen.
ver.di hält es für äußerst zweifelhaft, dass die Berücksichtigung von Partner*inneneinkommen bei der Bemessung der Besoldung mit Art. 33 Absatz 5 GG und Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht.
ver.di lehnt deshalb den in das Deutsche Beamten- und Besoldungsrecht tief eingreifenden Paradigmenwechsel als verfassungsrechtlich zweifelhaft ab.
ver.di fordert zudem eine Härtefallregelung für Bundesbeamt*innen mit Kindern. Ansonsten droht, dass trotz Familienzuschlag und AEZ weiterhin die Besoldung verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist.
ver.di und DGB fordern als überfällige Maßnahme die Angleichung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit an das Tarifniveau von 39 Stunden.
ver.di und DGB halten den isolierten Eingriff in die Besoldungsstruktur bezogen auf das gesamte Besoldungsgefüge sowie die Ämterwertigkeit für absolut fehlerhaft.
ver.di kritisiert, dass eventuell bestehende Ansprüche seit nun drei Jahren nicht ausgezahlt wurden.
ver.di/DGB-Forderung ist die Anhebung sämtlicher Grundgehälter in allen Besoldungsordnungen und damit auch aller Eingangsämter, zum einen als Signal für die Wertschätzung von Leistung und zum anderen mit Blick das Leistungsprinzip und auf den Grundsatz der funktionsgerechten Besoldung.
Eingangsämter anheben
ver.di und DGB fordern erneut eine Öffnungsklausel zur Anhebung der Eingangsämter für die Beamt*innen bei den Postnachfolgeunternehmen (PNU):
Laufbahnsprung
ver.di und DGB fordern den Laufbahnsprung für Beamt*innen, die in der Beurlaubung im dienstlichen Interesse mindestens seit 10 Jahren laufbahnübergreifend höherwertig arbeiten.
Es ist Zeit: Recht auf angemessene Besoldung auch für Beamt*innen bei den PNU
Wenn das BVerfG in seinen aktuellen Urteilen zur verfassungsgemäßen Alimentation der Beamtenbesoldung davon ausgeht, dass schon die „normale“ Bundes-Besoldungstabelle (mit eingearbeiteter Sonderzahlung von 5 %) nicht mehr verfassungsgemäß ist, dann kann auch die abgesenkte PNU-Tabelle (ohne Sonderzahlung) die Grundsätze für eine verfassungsgemäße Alimentation nicht mehr erfüllen.
Abgesenkte Besoldungstabellen abschaffen
ver.di und DGB fordern, die bei den PNU beschäftigten Beamt*innen besoldungsrechtlich wieder wie die anderen Beamt*innen des Bundes zu behandeln. Die PNU-Tabelle ist ersatzlos abzuschaffen, und die Bundes-Besoldungstabelle ist wieder anzuwenden. Das Argument einer kürzeren Wochenarbeitszeit der Beamt*innen bei der Deutschen Telekom AG kann heute nicht mehr herangezogen werden, um eine Streichung der Sonderzahlung und dadurch abgesenkte PNU-Besoldungstabellen zu rechtfertigen.
Der Kabinettsbeschluss ist für November anvisiert. ver.di und DGB setzen sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren entschieden für eine gerechtere und nachhaltige Besoldungsreform ein.
Alle Beamtinnen und Beamte bei der Telekom, sind eingeladen, sich weiterhin aktiv und sichtbar einzubringen, und mit ihrer Mitgliedschaft ihre ver.di noch stärker zu machen:
Wer mehr will, muss mehr werden.
www.mitgliedwerden.verdi.de