Stellungnahme des Betriebsratsvorsitzenden der DTKS Region West zum Artikel "Freier Sonntag ?" in der "publik" vom Juli 2015

05.08.2015

Zum Artikel „Freier Sonntag? Aber sicher!“ von Gudrun Giese in der Ausgabe 5/2015 unserer ver.di-Zeitung publik über Sonntagsarbeit in Call-Centern:

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Artikel in der letzten Ausgabe der „publik“ auf Seite 16 stößt in unserem Betriebsrat auf Unverständnis!

Damit Ihr unsere Stellungnahme zu dem Artikel besser einordnen könnt, hier ein paar Informationen zu unserem Betrieb. Die DTKS (Deutsche Telekom Kundenservice) GmbH der Region West hat ca. 2.900 Beschäftigte am 6 Standorten in NRW die von unserem BR vertreten werden. Insgesamt sind in der DTKS GmbH bundesweit an 36 Standorten ca. 14.000 Menschen beschäftigt und der ver.di Organisationsgrad liegt bei ca. 75 Prozent. Die Belegschaft teilt sich auf ca. 70% Vollzeit und ca. 30% Teilzeitbeschäftigte, sowie ca. 70% Tarifkräfte und ca. 30% zugewiesene Beamte auf.

In dem Artikel werden sehr pauschal Callcenter aller Art und die Service-Center der Telekom in einem Atemzug genannt!

Und so wollen etwa immer mehr Callcenter-Bertreiber ihre ohnehin schlecht bezahlten Mitarbeiter auch noch an Sonntagen Reklamationen und Bestellungen annehmen lassen.“

Dabei wird ausgeblendet, dass sich insbesondere in den letzten Jahren die Arbeitsinhalte und Anforderrungen geändert haben und dies durch eine aktive und erfolgreiche Tarifpolitik der ver.di in der DTAG begleitet worden ist. Die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen die Tarifrunden aktiv zu unterstützen, ist nicht nur an dem hohen Mitgliederanteil abzulesen, sondern auch an der extrem hohen Beteiligung an den Streikmaßnahmen. Die Tarifverträge der ver.di sind hier beispielhaft in Deutschland für Beschäftigte in Call- und Services-Center.

Die Service Center der DTAG sollten daher in einem Artikel der eigenen Mitgliederzeitung, nicht pauschal mit  schlecht bezahlten Beschäftigten in nicht tarifierten Betrieben gleichgestellt werden!

Darüber hinaus ist der Autorin des Artikel und der Redaktion der „publik“ offensichtlich nicht bekannt, welche Arbeiten in den Service Center der DTKS inkl. Sonntags von den Beschäftigten ausgeführt werden und sich diese in den letzten Jahren, durch die technologische und gesellschaftliche Entwicklung, stark verändert haben.

Die Vorstellung der Autorin, dass mit Callcenter-Arbeit am Sonntag in Notfällen wie Kreditkartensperrungen oder Schlüsseldienst alles bestens geregelt sei, geht an der Realität völlig vorbei. Auch die sogenannt Störungsannahme der Telekom, wie sie viele Ältere unter uns noch kennen, hat sich stark gewandelt.

Zu den Arbeiten, die auch an Sonntagen ausgeführt werden, gehören zum Beispiel :

  • BNG-Migration
    (Teil der TD2018 Maßnahmen) Der Wechsel von der heutigen Aggregationsplattform auf BNG benötigt eine Umschaltung aller MSAN/ Access Nodes an das BNG.
  • Kundendaten während MSAN-Switch
    (Multi-Service  Access Nodes (MSAN) sind Komponenten im Zugangsnetz von IP-Netzen. Sie stellen am Hauptverteiler (HVt) zusätzlich zu den Datendiensten analoge Telefonleitungen und ISDN-Leitungen zur Verfügung. Der Leitungsabschluss erfolgt im MSAN, ebenso wie die Umsetzung in IP-Dienste wie VoIP.
  • Endgeräteaustauschprozess
  • Hotline für T-Shop Vertriebsgesellschaft
  • Chat mit Kunden (Text und Video)
  • Social-Media Service im Internet
  • „Telekom Hilft“ (über Smartphone-Applikation)
  • Hotline für den Handel
  • Telefonzentrale
  • Bauherrenberatung
  • DE-Mail
  • NIMBUS
    (Neues Informations-Managementsystem zur bundesweiten Unterstützung des Supports = Ticketsystem zur Bearbeitung von endkundenrelevanten Incidents, die nicht mehr automatisiert prozessiert werden können)
  • Konfiguration aller Endgeräte in Mobilfunk und Festnetz
  • Unterstützung bei der Nutzung von Entertain
  • AM mit 2nd-Level Hotlines für spezielles Fachwissen 
  • Leitungsdiagnostik  
  • Multi Media Service unterstützt den 1st-Level
  • Zeitkritische Schaltungen für Sky-Kunden (via Entertain)
  • Servicefälle rund um Software, Installationen, Entertain und neue Dienste
  • Financial Care (Missbrauchserkennung).

Die Betriebsräte sind hier im ständigen Dialog mit dem Arbeitgeber, ver.di und den Beschäftigten ob und welche Aufgaben an Sonntagen ausgeführt werden müssen und welche nicht.

Die Autorin behauptet weiter, dass die Callcenter-Betreiber nicht bereit sind die konkreten Zahlen vorzulegen. Dies stimmt für die DTAG  wie für die DTKS GmbH nicht! Die Informationen werden im Wirtschaftsausschuss, auch unter Einbindung der ver.di Vertreter, vom Arbeitgeber gegeben und erörtert.

Darüber hinaus muss auch berücksichtigt werden, wie die Arbeitszeitgestaltung in einen Betrieb insgesamt geregelt ist, dabei darf der Sonntag nicht nur isoliert betrachtet werden!

In der DTKS GmbH haben die Betriebsräte, gemeinsam mit ver.di und den Beschäftigten unterschiedlichste Arbeitszeitmodelle entwickelt, für die sich jeder frei entscheiden kann. Es beststehen Arbeitszeitmodelle für:

  1. Beschäftigte die auf feste Arbeitszeiten zu Beginn und Ende des Tages, wie auf feste freie Tage angewiesen sind.
     
  2. Beschäftigte die in Gleitzeit arbeiten möchten oder ihre geplanten Schichten mit den unterschiedlichsten Möglichkeiten, wie Tages inkl. Wochenenden und Feiertage tauschen können.
     
  3. Es gibt innerhalb dieser Modelle sogenannt „Schablonen“ die von den Beschäftigten selbst gestaltet werden können. Dies unterstützt insbesondere Beschäftigte, die in Teilzeit arbeiten, oder aus familiären Gründen auf eine besondere Gestaltung der Arbeitszeiten angewiesen sind.

Dies ist nur ein Auszug aus den Möglichkeiten, die wir in unserer Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitszeit 2.0 vereinbart haben.

Die Anmerkung der Autorin „Das andere Religionen andere Wochentage als obligatorische freie Tage für alle etabliert haben, ist für die aktuelle Diskussion unerheblich,….“, geht an der betrieblichen Realität vorbei!

Von den in NRW leben Menschen haben 25% einen Migrationshintergrund. Dies spiegelt sich auch in der Belegschaftsstruktur in den Betrieben wieder. Wenn man Migration als Chance begreift und dies wird in den Betrieben gelebt, dann erkennt man wie Beschäftigtet sich hier gegenseitig, vor dem o.g. Hintergrund in der Arbeitszeitplanung, insbesondere an den religiös begründeten Feiertagen unterstützen können. Also alles andere als unerheblich!

Die Autorin sieht die Gefahr „Da Hessen die Sonntagsarbeit untersagt, wandern sie in andere Bundesländer ab,…“. In solchen Kategorien denken die international agierenden Unternehmen schon lange nicht mehr!

Die aktuelle Entscheidung und Diskussion hat jetzt schon zur Folge, dass die weitere Verlagerung von Arbeiten an Sonn- und Feiertagen vorbereitet wird und in der DTAG und der DTKS GmbH  in der Umsetzung ist!

Allerdings geht es hier nicht nur um eine Verlagerung in andere Bundesländer, sondern um eine Verlagerung in Unternehmen die bereits mit mehrsprachigen Call- und Service-Centern im europäischen Ausland tätig sind! Hier sind in ersten Linie zu nennen: Arvato, Sykes,Teleperformance, usw!

Hier werden auch nicht nur die Tätigkeiten der Sonn- und Feiertage verlagert, sondern auch Arbeiten die unter der Woche ausgeführt werden. Daher sind allein in der DTAG, wie in der DTKS mehrere tausende Arbeitsplätze gefährdet!

Dies geschieht aus nur einem Grund: Den schlechteren Gehaltsstrukturen und schlechteren Arbeitsbedingungen allgemein in diesen Betrieben. Die aktuelle Entscheidung und Diskussion ist „Wasser auf die Mühlen“ der Unternehmen die rein aus Kostengesichtspunkten, Tarifverträge der Gewerkschaften und gute Arbeitszeitreglungen unterlaufen wollen!

Das hat kurz- und langfristig Folgen für die Personal- und Ausbildungsplanung. Die DTKS GmbH ist der Betrieb in der DTAG der bundesweit die meisten Auszubildenden, jährlich ca. 1300 übernimmt.

Die Frage der Sonntagsarbeit, lässt sich weder mit einem Ja oder Nein beantworten, noch mit den Parolen aus dem letzten Jahrtausend „Am Samstag gehört Vati mir“. Nun sollten wenigsten am Sonntag Vati und Mutti Zeit für Kinder, Freunde und …… haben.“

Wir müssen als Gewerkschaften und Betriebsräte, diese wichtige und nicht einfache Diskussion, unter Einbeziehung der Veränderung der Arbeit und dem gesamtgesellschaftlichen Leben, durch die digitale Revolution führen.

Internationale Aspekte der global agierenden Konzerne müssen dringend berücksichtigt werden,  da durch die digitale Revolution es noch nie so einfach wie heute war, Arbeit über nationale Grenzen hinweg zu verlagern!

Pauschale und oberflächliche Artikel , wie der o.g. Artikel in der „publik“ helfen da nicht weiter!

Mit kollegialen Grüßen

Heinz Ceyer

Vorsitzender des Betriebsrates der DTKS GmbH Region West
Mitglied im Gesamtbetriebsrat der DTKS GmbH
Mitglied im Wirtschaftsausschuss der DTKS GmbH